Vier Dokumentaristen, vier Gespräche, vier Autoren des deutschen Dokumentarfilms seit den 60er Jahren. "Autor", ein Wort, das man üblicherweise mit dem Dokumentarfilm nicht in Verbindung bringt und das doch zumindest bei den hier vorgestellten Regisseuren seine Berechtigung hat: Hans-Dieter Grabe, Elfi Mikesch, Harun Farocki und Thomas Heise. Gemeinsam ist ihnen allen, daß sie den Dokumentarfilm für sich als eigenständige filmische Ausdrucksweise entdeckt und einen eigenen, unverwechselbaren Stil entwickelt zu haben. Christoph Hübner, ebenfalls eine Dokumentarfilm-Autor, gelingt es, sich aus freundschaftlicher Perspektive den unterschiedlichen Persönlichkeiten zu nähern und ihre Positionen zum dokumentarischen Arbeiten anhand von Ausschnitten aus Schlüsselwerken deutlich zu machen.
Der Film
Dokumentarisch Arbeiten 2 - Deutschland 1998-2012 - Regie und Kamera: Christoph Hübner - Mitarbeit und Ton: Gabriele Voss - Mit: Hans-Dieter Grabe, Elfi Mikesch, Harun Farocki, Thomas Heise - Produktion: Christoph Hübner Filmproduktion, Witten
Über das Projekt
Die vorliegende Doppel-DVD Dokumentarisch Arbeiten 2 bringt vier weitere Stücke aus der Reihe der jeweils einstündigen Film-Gespräche zum Dokumentarfilm. Die Gespräche sind selbst inzwischen ein Stück Dokumentarfilm-Geschichte. Es gibt weltweit kein vergleichbares Projekt, dass sich in dieser Ausführlichkeit und aus der Innensicht des Gesprächs zwischen Dokumentaristen dem dokumentarischen Autorenfilm widmet. Die Filme der Reihe werden seit 1995 regelmäßig vom öffentlich- rechtlichen Fernsehen ausgestrahlt, sie werden auf Festivals und auf Werkschauen gezeigt, es gibt inzwischen Bücher zu der Reihe und die Filme sind Studienmaterial in vielen Filmhochschulen.
Es ist Dokumentarfilmgeschichte, wie sie sich zeigt im Moment des Sprechens, des Innehaltens, des Abstands von der Arbeit und des Nachdenkens darüber. Das Gespräch kommt aus der Mitte der dokumentarischen Arbeit, kein Reden aus zweiter Hand, keine Talk-Show und kein akademisches Künstler-Interview. Es sind von der Kamera begleitete Begegnungen unter Dokumentaristen, zu Hause, in Arbeitsräumen, am Montagetisch.
"Komm ins Offene, Freund...", diese Anfangszeile eines Gedichts von Hölderlin begleitet mich seit langem, weil sie in aller Kürze benennt, was mir an der dokumentarischen Arbeit wichtig ist: das Arbeiten ins Offene, das Improvisieren und das Entdecken. Komm ins Offene... diese Haltung findet sich auch in den Gesprächen wieder, wie sie entstehen, sich entwickeln und verlaufen. Sie nehmen von irgendwo her ihren Anfang, von einer zufälligen Beobachtung, einem Stichwort, einer jeweils gegebenen Situation und entwickeln sich von da aus weiter. Und oft ergibt sich aus dem Anfang der Tonfall und der Rhythmus eines ganzen Gesprächs.
Da es sich bei den Filmemachern, um die es hier geht, um Autoren-Filmer handelt, sind die Personen nicht vom Film zu trennen und umgekehrt. Ebenso wie um die Filme geht es in den Gesprächen also um die Person. Um deren Haltung als Autor. Dabei haben wir es bis heute immer noch mit der unbefriedigenden Situation zu tun, dass der Dokumentarfilm in der Öffentlichkeit meist nur von seinem Thema her, seiner "Aussage" oder "Botschaft" wahrgenommen wird. Der Dokumentarfilm ist aber zugleich "Form", bewusster künstlerischer Ausdruck und gezielter Umgang mit seinen Mitteln. Davon vor allem handelt die gesamte Reihe Dokumentarisch Arbeiten. Und dafür sind die vier Autoren in diesem zweiten Teil der Edition Dokumentarisch Arbeiten 2 herausragende Beispiele:
Hans Dieter Grabe hat trotz und wegen seiner Festanstellung beim ZDF (ähnlich wie Klaus Wildenhahnseinerzeit beim NDR) eine eigene, unverwechselbare Handschrift zwischen Journalismusund Dokumentarfilm entwickelt.
Harun Farocki ist unter den "politischen" Filmemachern, die ihre Anfänge in der Studentenbewegunghatten, vielleicht der formal brillanteste und bewussteste und erkundet heute mit seinenVideo-Installationen dokumentarisches Neuland.
Elfi Mikesch hat als Kamerafrau und als eigenwillige Filmemacherin mit ihren Filmen viel zu einerErweiterung der ästhetischen Grenzen des "Dokumentarisch-Üblichen" beigetragen.
Thomas Heise hat mit seiner Herkunft vom Brecht'schen Theater und der materialhaften, pur-poetischen Art seiner Dokumentarfilme einen ganz eigenen filmischen Ausdruck gefunden.
Christoph Hübner
DVD-Features (Doppel-DVD)
- Hans-Dieter Grabe: Lieber weniger als mehr 1998, 64'
- Elfi Mikesch: Träumen Spielen Jagen 2000, 60'
- Harun Farocki: Modell/Realität 2005, 60'
- Thomas Heise: Bruchstücke 2012, 62'
- Booklet mit Text von Christoph Hübner
Herausgeber: Filmmuseum München, Goethe-Institut München
DVD-Authoring: Ralph Schermbach
DVD-Supervision: Markus Prasse
1. Auflage Mai 2013