Die Russen kommen & Karriere

Die Russen kommen & Karriere

Edition Filmmuseum 107

Heiner Carows Film Die Russen kommen über die letzten Tage des Zweiten Weltkriegs wurde 1968 in der DDR hergestellt, erhielt aber keine staatliche Zulassung und konnte erst 1987 mühsam rekonstruiert werden. Die Doppel-DVD präsentiert den Film in einer neuen Restaurierung und ermöglicht erstmals den Vergleich mit dem Film Karriere (1971), in den Heiner Carow Teile des damals unveröffentlichten Materials von Die Russen kommen eingearbeitet hat.

Die Filme

Die Russen kommen - DDR 1968/87 - Regie: Heiner Carow - Drehbuch: Claus Küchenmeister, Heiner Carow, nach Motiven der Erzählung "Die Anzeige" von Egon Richter - Kamera: Jürgen Brauer - Musik: Peter Gotthart - Darsteller: Gert Krause-Melder, Viktor Perewalow, Dorothea Meissner, Norbert Christian, Karla Runkehl, Wsewolod Safonow, Hans Hard-Hardtloff Produktion: DEFA-Studio für Spielfilme Premiere: 3.12.1987 Berlin (Kino "International")

Karriere - DDR 1971 - Regie: Heiner Carow - Drehbuch: Heiner Carow, Hermann Herlinghaus, nach Motiven der Erzählung "Die Anzeige" von Egon Richter - Kamera: Jürgen Brauer - Musik: Peter Gotthart - Darsteller: Horst Hiemer, Gert Krause-Melder, Katja Paryla, Rüdiger Joswig, Friedrich Hitzer, Wsewolod Safonow, Viktor Perewalow, Norbert Christian, Rolf Ludwig Produktion: DEFA-Studio für Spielfilme Premiere: 15.4.1971 Berlin (Kino "International")

Zur Entstehung und Restaurierung von Die Russen kommen

Mit Die Russen kommen erzählen Regisseur Heiner Carow und Drehbuchautor Claus Küchenmeister die letzten Tage des Zweiten Weltkriegs aus der Perspektive eines dem Nationalsozialismus glühend ergebenen Hitlerjungen, für den jener Tag, der später in der DDR zum "Tag der Befreiung" werden sollte, den Zusammenbruch seiner Welt bedeutet. Ursprünglich 1966 als Reservebeitrag zum 1967 bevorstehenden 50. Jahrestag der Oktoberrevolution in den DeFA-Produktionsplan aufgenommen, wurde der Film 1968 kurz vor seiner Fertigstellung abgebrochen und erst 1987 abgeschlossen. Ein DEFA-Film über den Faschismus ohne antifaschistischen Helden war nicht nur zu jener Zeit ungewöhnlich; er entsprach zu wenig dem herrschenden Narrativ und war nicht opportun.

Für die DEFA war das Projekt mit der Nichtzulassung nicht beendet: In anderer Form sollte die Produktion doch noch abgeschlossen werden. es folgten lange und quälende Auseinandersetzungen über konzeptionelle Änderungen, Küchenmeister zog sich zurück, Carow schrieb gemeinsam mit Hermann Herlinghaus ein neues Drehbuch. Am Ende entstand der Film Karriere, der 1971 in die Kinos kam und von dem Carow sich später distanzierte. Die ursprüngliche Geschichte des Jungen Günter lieferte jetzt nur noch den Hintergrund für die Entwicklung des nun erwachsenen Günter Walcher, der sich im Westdeutschland der 1960er Jahre als mittlerer Angestellter etabliert hat und dort karrieristisch und gewissenlos eine tragende Rolle bei der Entlassung eines missliebigen Gewerkschaftsfunktionärs übernimmt.

Paradoxerweise führte ausgerechnet der Umstand, dass Die Russen kommen nicht konsequent verboten, sondern zumindest in der DEFA-internen Produktionslogik als Karriere weitergeführtwurde, dazu, dass das originalnegativ zu großen teilen nicht mehr existiert. Nur etwa dreißig Minuten, die als Rückblenden in Karriere aufgenommen wurden, blieben erhalten; der Rest wurde zusammen mit weiteren Materialien von Karriere fortgeworfen.

Erhalten blieben auch Fragmente verschiedener Positivmaterialien. Um deren entstehung und Aufbewahrung ranken sich verschiedene, teils widersprüchliche Legenden, die sich heute nicht mehr bis ins letzte Detail ergründen lassen. Dokumente aus dem DeFA-Studio lassen den Schluss zu, vor Beginn der Arbeit an Karriere sei, um den damaligen Arbeitsstand zu sichern, auf Anweisung des damaligen DDR-Kulturministers Klaus Gysi ein Duplikatpositiv hergestellt worden. In der Folge verschwand dieses wie auch teile der ursprünglichen Arbeitskopie in der Versenkung, und der Film geriet in Vergessenheit.

Es sollte fast zwanzig Jahre dauern, bis die Filmemacher die Möglichkeit bekamen, ihn aus Positivfragmenten und den in Karriere enthaltenen Teilen des Originalnegativs wie ein Puzzle neuzusammenzufügen. Am Ende eines aufwendigen Rekonstruktionsprozesses stand schließlich ein Film, der inhaltlich den ursprünglichen Intentionen der Filmemacher entsprach. Ästhetisch war das Ergebnis von großer Eigenwilligkeit und durchaus reizvoll. Helle und dunkle Bereiche hatten oftkaum noch Zeichnung, waren teilweise nur noch schwarze und weiße Flächen. Gelegentlich waren Figuren umgeben von einem merkwürdigen, flirrenden Halo oder lösten sich in Unschärfen auf. Hinzu kamen die zahllosen sichtbaren Materialschäden, denen mit den damals verfügbaren Mitteln nicht beizukommen war.

Im Bundesarchiv fanden wir 2014 bei Beginn der Arbeit an der Restaurierung ein scheinbar ungeordnetesSammelsurium unterschiedlicher Elemente vor. Unsere Vorstellung von Zustand und Qualität des Materials war bis dahin in erster Linie bestimmt durch die 1987 hergestellten Kinokopien. Umso größer war unsere Überraschung, als wir unter den erhaltenen Materialien zahlreiche Fragmente von unerwartet guter Bildqualität und Schönheit fanden. Vor allem in den erhaltenen Teilen der Arbeitskopie entdeckten wir Details, die wir auf der Leinwand nie zuvor gesehen hatten. Daraus ergaben sich die Möglichkeit und zugleich die Notwendigkeit, den Film aus den verschiedenen Einzelteilen noch einmal völlig neu zusammenzusetzen und dabei sehr viel kleinteiliger vorzugehen als 1987. Dank der heute verfügbaren digitalen Technologien konnten wir die verschiedenen Materialien besser aneinander anpassen und Materialübergänge weicher und unauffälliger gestalten als seinerzeit.

Ralf Dittrich


DVD-Features (Doppel-DVD)

DVD 1

  • Die Russen kommen 1968/87, 88'
  • Vergleich Rekonstruktion 1987 - Restaurierung 2016 2016, 19'

DVD 2

  • Karriere 1971, 82'
  • Gespräch mit Kameramann Jürgen Brauer 2016, 47'

Herausgeber: Filmmuseum München und Goethe-Institut
DVD-Authoring: Tobias Dressel, Gunther Bittmann
DVD-Supervision: Ralf Dittrich, Stefan Drößler

1. Auflage März 2017

Bestellung

Versandfertig in 48 Stunden
Preis: 29,95 EUR (inkl. 19% USt., zzgl. Versand)