Zwei außergewöhnliche Dokumentarfilme über Bernhard Kimmel, der in den 1950er Jahren als Kopf und Anführer der Al-Capone-Bande oder Kimmel-Bande spektakuläre Einbrüche und Überfälle beging und die Schlagzeilen der deutschen Presse füllte. 1961 wird er zu 14 Jahren Zuchthaus verurteilt, 1970 vorzeitig entlassen. Sein Einstieg in ein rechtschaffendes Leben misslingt, 1982 wird er wegen Mordes an einem Polizisten sowie schwerer Körperverletzung zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Peter Fleischmann verfolgt ein Leben zwischen Räubertum und Robin-Hood-Gehabe, Zeitungsruhm und Gefängnis, das auch ein Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte reflektiert.
Die Filme
Mein Freund der Mörder - Deutschland 2006 - Drehbuch und Regie: Peter Fleischmann - Kamera: Dib Lufti, Colin Mounier, Klaus Müller-Laue, Volker Schaner - Schnitt: Peter Fleischmann, Volker Schaner - Musik: Brian Eno - Produktion: Peter Fleischmann Filmproduktion, Berlin - Premiere: 25. April 2006, Visions du réel (Nyon)
Zusatzinterviews - Deutschland 2010 - Drehbuch und Regie: Peter Fleischmann - Kamera: Volker Schaner - Schnitt: Peter Fleischmann, Volker Schaner - Produktion: Peter Fleischmann Filmproduktion, Berlin - Premiere: Erstveröffentlichung
Al Capone von der Pfalz - BRD 1987 - Drehbuch und Regie: Peter Fleischmann - Kamera: Dib Lufti, Klaus Müller-Laue - Schnitt: Christian Virmond - Musik: Brian Eno - Produktion: Hallelujah Film, München - Premiere: 8. November 1987 (Neustadt)
Gespräch mit Peter Fleischmann
Rudolf Worschech: Wie war Ihre Begegnung mit Berhanrd Kimmel, dem "Al Capone von der Pfalz"?
Peter Fleischmann: Kimmel war das erste Mal im Gefängnis von 1960 bis 1970, für Taten, die er zwischen 1950 und 1960 begangen hat; er hat also schon ziemlich bald nach Kriegsende mit den 179 Einbrüchen begonnen, die ihm das Gericht später nachgewiesen hat.
Kannten Sie sich?
Nein, obwohl wir nicht weit voneinander aufgewachsen sind. Während er die Gegend unsicher gemacht hat, habe ich das Gymnasium besucht und mein Abitur gemacht. Von den 14 Jahren Gefängnis, zu denen er verurteilt wurde, musste er zehn absitzen. Ich bin derweil durch Europa getrampt, war beim Zirkus, habe in einem Kinderfilmstudio gearbeitet, die Filmhochschule besucht, und habe schließlich meinen ersten Spielfilm Jagdszenen aus Niederbayern realisieren können. Während einer Pressekonferenz hat mich eine Journalistin aus der Pfalz gefragt, ob ich mich nicht für Kimmel interessiere. "Klar", habe ich gesagt, "er ist ein Phänomen." Dieses Interview hat er gelesen, es stand in der Rheinpfalz, und hat mich aus dem Gefängnis angeschrieben. Einige Zeit später, ich stand kurz vor dem Drehbeginn meines zweiten Spielfilms Das Unheil, sagte meine Sekretärin, ein Bernhard Kimmel sei am Apparat. Er sei gerade aus dem Gefängnis entlassen und wisse nicht recht wohin. Ich habe ihn nach München eingeladen, und mit ihm an der Isar Aufnahmen gemacht: Ich wollte wissen, wie sich jemand fühlt, der gerade zehn Jahre Knast hinter sich hat. Ich bin dann zusammen mit meinem bereits engagierten brasilianischen Kameramann mit ihm zu seinen früheren Tatorten in die Pfalz gefahren, um weiter zu drehen. Und schließlich haben wir ihn mit zum Drehort genommen und ihm eine kleine Rolle in dem Film Das Unheil gegeben. Das Material, das wir von ihm aufgenommen hatten, habe ich erst einmal im Keller verstaut, wo es zwölf Jahre liegen blieb.
Was passierte in diesem zwölften Jahr?
Da drehte ich zum ersten Mal einen Spielfilm in der Pfalz, und Bernhard Kimmel half mir bei der Motivsuche er kannte hier ja jeden Bauern , und er hat mich bei der Ausarbeitung des Bankraubs beraten, der im Film vorkommt. Als wir die Szene drehten, saß er allerdings wieder im Gefängnis...
Weil er auf zwei Polizisten geschossen hatte...
... die ihn bei einem nächtlichen Einbruch überrascht hatten. Erst nach diesem Ereignis habe ich Al Capone von der Pfalz zu Ende gedreht...
... Ihren ersten Film über Bernhard Kimmel.
Er hörte im Gefängnis auf. Lebenslänglich.
Mein Freund der Mörder entstand 20 Jahre später...
... als er nach 22 Jahren aus dem Knast entlassen wurde. Aber es ist nicht mehr nur ein Film über Bernhard Kimmel geworden, sondern über unser Verhältnis. Man kann sich ja die Frage stellen, ob das überhaupt geht: einen kritischen Film zu machen, obwohl man miteinander befreundet ist. Aber das ist alles Quatsch. Objektiv ist man ja nie. Ich glaube, beim Dokumentarfilm kommt es darauf an, dass man keine vorgefasste Meinung hat.
Es gibt zwei intensive Szenen zwischen Ihnen und Bernhard Kimmel am Schluss, als Sie die Sparkasse in Bensheim besuchen und danach in den Wald gehen. Wie macht man so etwas, wenn man sich so gut kennt?
Das hing mit unserer Freundschaft zusammen. Es wuchs so etwas wie Zorn in mir, weil er mich als Hofberichterstatter einspannen wollte, der der Nachwelt vermittelt, welch edler Ritter er doch war. Auf der anderen Seite habe ich seine Verzweiflung darüber verstanden, dass man ihn mit Mördern in einen Topf warf wie den in seiner Nachbarzelle, der seine Frau in Stücke geschnitten und ihre Einzelteile in Müllsäcken auf Autobahnparkplätzen deponiert hat. "Mörder klingt nach Heimtücke, nach Meuchelmörder, nach perversem Lustmörder", hat er immer wieder zu mir gesagt. Nur ist es eben auch kein Fehlurteil, dass ein Richter es Mord nennt, wenn einer schwer bewaffnet in eine Bank einbricht und die Waffen benutzt, sobald die Polizei ihn dabei stört.
aus: epd-Film
DVD-Features (Doppel-DVD)
DVD 1
- Mein Freund der Mörder 2006, 90'
- Zusatzinterviews 2010, 34'
DVD 2
- Al Capone von der Pfalz 1987, 86'
- 16seitiges dreisprachiges Booklet mit einem Interview mit Peter Fleischmann
Herausgeber: Filmmuseum München und Goethe-Institut
DVD-Authoring: Ralph Schermbach
DVD-Supervision: Stefan Drößler
1. Auflage Januar 2012, 2. Auflage Februar 2012