In Bangladesch werden ausgediente Tanker und Containerschiffe aus aller Welt abgewrackt. Wanderarbeiter aus dem Norden, durch die alljährliche Hungersnot in den Süden getrieben, zerlegen von Hand die Ozeanriesen. Unter schwierigsten Arbeitsbedingungen recyclen sie den Schrott der westlichen Welt und geraten dabei selber immer tiefer in die Schuldenfalle. Der mehrfach preisgekrönte Film schildert in überwältigenden Bildern ein System von Ausbeutung, dem nur die wenigsten Arbeiter entkommen können. »Es ist eine poetische Kamera, die uns Zuschauern zum intensiven Hinsehen führt. Und damit auch einen genauen Blick ermöglicht auf die Konsequenzen unserer Wohlstandsgesellschaft, die ihre Problemfälle in andere Länder auslagert.« (aus der Begründung der Jury zur Verleihung des Adolf-Grimme-Preises 2010)
Der Film
Eisenfressser - Deutschland/Bangladesh 2007 - Drehbuch, Kamera und Regie: Shaheen Dill-Riaz - Schnitt: Andreas Zitzmann - Produktion: Lemme Film GmbH, Hamburg
Über Eisenfresser
Das Land ernährt die Menschen nicht mehr. Monsunregen, Trockenheit und Erosion stellen die Reisbauern im Norden von Bangladesch vor unlösbare ökonomische Probleme; sie haben keine andere Wahl, als im Süden Arbeit zu suchen; die Arbeitgeber wissen das offensichtlich sehr genau, anders sind die grauenvollen Bedingungen, denen sich die Bauern aus dem Norden ohne jede Gegenwehr unterwerfen, nicht zu erklären. Auf den ersten Blick fällt vor allem der Mangel an jeglicher Sicherheitskleidung auf: Ohne Sicherheitsschuhe bewegen sich die Arbeiter über Berge von rostigem, scharfkantigen Alteisen, barfuss und ohne Handschuhe schleppen sie große Eisenteile und ziehen schwere Stahltrossen durch den Schlamm; sie tragen weder Schutzhelme noch Brillen, nicht einmal bei der Arbeit mit dem Schneidbrenner.
Dieser radikale Mangel an minimalen Schutzmaßnahmen macht die Lage der Arbeiter auch sinnlich erfahrbar; die Kamera ist hautnah dabei, als würde sie versuchen, sich in die Position dieser Lohnsklaven zu begeben. Dass sich hier die Arbeitsunfälle nicht häufen, grenzt an ein Wunder. Im Nachspann heißt es, dass die Bedingungen auf der beobachten PHP-Werft (PHP für "Peace, Happiness and Property") im Vergleich mit den anderen Abwrack-Betrieben am Golf von Bengalen noch günstig seien.
Man muss diese physischen Bedingungen genau wahrnehmen, um zu begreifen, warum diese Arbeiter weder die Kraft noch den Mut aufbringen, sich gegen die Situation zu wehren und sich zu organisieren. Das System der Ausbeutung funktioniert geradezu perfid einfach: Die Drecksarbeit erledigen die Menschen aus dem Norden; die Einwohner des Südens profitieren offensichtlich allesamt davon: Sie haben die besseren Jobs, als Aufseher, Vorarbeiter, Subunternehmer und vor allem verdienen sie am Verkauf von Lebensmitteln. Je länger die Löhne der ohnehin miserabel bezahlten Sklaven zurückgehalten werden, desto mehr müssen sich diese auf Credit ernähren und die Unternehmer nehmen diese Schulden zum Anlass, die Löhne nicht auszuzahlen, mit dem Vorwand, dieses Geld werde direkt den Lebensmittelhändlern übergeben.
Shaheen Dill-Riaz beobachtet sehr genau, und er vertraut dem, was er sichtbar macht. Also kann er auf jede Polemik (etwa bei der Montage) verzichten. "Die unglaublichen Arbeitsbedingungen, die man in dem Film sieht, waren nicht die größte Überraschung für mich. Sondern die Verwaltungsstruktur, die die Menschen in eine oft tödliche Schuldenfalle treibt. Noch erschreckender ist für mich die Tatsache, dass die Regeln dieses ausbeuterischen Systems auf den Grundelementen des Wirtschaftssystems basieren, in dem wir alle leben. Eisenfresser zeigt, wohin das führen kann." (Shaheen Dill-Riaz)
Hans Günther Pflaum
DVD-Features
- Eisenfresser 2007, 85'
- Premiere in Bangladesh 2008, 13'
- Booklet mit Texten zum Film
Herausgeber: Goethe-Institut München
DVD-Authoring: Ralph Schermbach
DVD-Supervision: Stefan Drössler
1. Auflage Dezember 2010, 2. Auflage März 2013