Dziga Vertovs Entuziazm, ein Klassiker des sowjetischen Revolutionskinos über den Fünfjahresplan der späten Zwanziger Jahre, gilt als Meisterwerk des Dokumentar- und Avantgardefilms. Als Meilenstein unter anderem von Charlie Chaplin verehrt, geriet der Film in den Dreißiger Jahren in Vergessenheit, um von der Avantgarde der Sechziger Jahre wiederentdeckt zu werden. Die vorliegende - erstmalige - DVD-Edition präsentiert den Film in zwei unterschiedlichen Fassungen: die im Gosfilmofond der Sowjetunion überlieferte Version sowie Peter Kubelkas Restaurierung, die mittels Re-Synchronisation Vertovs Idee einer überwältigenden, neuen Tonfilmsprache erfahrbar macht. In der Dokumentation Restoring Entuziazm demonstriert der Künstler und Mitbegründer des Österreichischen Filmmuseums Peter Kubelka anhand einiger Sequenzen die Prinzipien seiner Restaurierungsarbeit und gibt Einblick in Vertovs Verständnis des Kinos. Als Extras gibt es zwei rare filmische Dokumente aus der umfangreichen Vertov-Sammlung des Österreichischen Filmmuseums.
Der Film
Entuziazm (Simfonija Donbassa) - UdSSR 1930 - Regie: Dziga Vertov - Kamera: Boris Cejtlin, K. Kualev - Schnitt: Elisaveta Svilova - Musik: Nikolai Timofeev - Ton: Pjotr Shtro - Produktion: Ukrainfilm - Premiere: 2.4.1931
Über den Film
Zum spätest möglichen Zeitpunkt - noch war das Bildnis Stalins nicht allgegenwärtig, noch die Avantgarde nicht liquidiert, doch der erste Fünfjahresplan dekretiert, Trotzki längst in türkischer Verbannung - da zeigt uns Dziga Vertov die Realisierung einer Utopie. Entuziazm, Vertovs erster Tonfilm aus dem Jahr 1930, führt eine Beziehung zwischen Mensch und Maschine vor, in der die Versöhnung von Arbeit und Spiel verwirklicht scheint. Inmitten des ohrenbetäubenden Lärms und des unheilvollen Qualms, die aus dem Schlund einer Hölle aufsteigen, entsteht das Bild einer produktiven Symbiose von Mensch und industrie: "Aus der Arbeit ein Spiel machen" - noch heute der Slogan aller Arbeiterstaat-Despotien.
Doch Vertov begnügt sich nicht mit dieser Inszenierung der Arbeit. Selbst ihrer Lobpreisung gewinnt er Analytisches ab: Nicht, weil die Ursache der Entfremdung verschwunden wäre, sondern weil Entfremdung zur Regel geworden ist, kann er ein Bild abstrakter Arbeit entwickeln. Wie mit dem Ton, der in seiner Rauheit, Ungebändigtheit und Intensität bis heute in der Filmgeschichte seinesgleichen sucht, muss Vertov auch visuell den schönen Schein verletzen. In einer Steigerungsform, die analytisch und Fluchtlinie zugleich ist, wird der Arbeitsprozess schließlich als Abstraktion kenntlich gemacht, die sich an den Menschen gewaltsam vollzieht: Abstraktion von unserer Lebenszeit, die im Austausch gegen Lohn vergeht.
Klemens Gruber, 2005
DVD-Features (Doppel-DVD)
- Entuziazm (restaurierte Version) 1930 (1972), 65'
- Entuziazm (nicht restauriert) 1930, 65'
- Peter Kubelka: Restoring Entuziazm 2005, 65'
- Vertov Privataufnahme 1920-30, 1'
- Vertov-Ausstellung 1974, 12'
Herausgeber: Film & Kunst GmbH in Zusammenarbeit mit dem Österreichisches Filmmuseum, Wien
DVD-Authoring: Ralph Schermbach
DVD-Supervision: Michael Loebenstein
1. Auflage Oktober 2005, 2. Auflage März 2006, 3. Auflage Mai 2007, 4. Auflage März 2010, 5. Auflage Juni 2017
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