Das verurteilte Dorf & Chronik eines Mordes

Das verurteilte Dorf & Chronik eines Mordes

Edition Filmmuseum 126

Der Westen vom Osten aus gesehen zur Zeit des Kalten Kriegs: Vier Filme der DEFA-Produktion über die Bundesrepublik, das vermeintliche Diktat der USA, die unbewältigte NS-Vergangenheit und die Korruption der Machteliten. In Martin Hellbergs Das verurteilte Dorf wehren sich die Bewohner einer fränkischen Gemeinde gegen die Räumung ihres Ortes für den Bau eines amerikanischen Militärflughafens. Joachim Hasler, der bei diesem Film als Kameramann mitarbeitete, verfilmte mit Chronik eines Mordes einen Roman von Leonard Frank, in dem eine junge Frau den soeben inthronisierten Bürgermeister von Würzburg ermordet und seine Nazi-Vergangenheit aufdeckt.

Die Filme

Das verurteilte Dorf - DDR 1952 - Regie: Martin Hellberg - Drehbuch: Jeanne Stern, Kurt Stern - Kamera: Karl Plitzner, Joachim Hasler - Musik: Ernst Roters - Darsteller: Helga Göring, Günther simon, Eduard von Winterstein, Albert Garbe, Marga Legal, Albert Doerner - Produktion: DEFA-Studio für Spielfilme - Premiere: 15.2.1952

Ami go home - DDR 1952 - Regie und Schnitt: Ella Ensink - Drehbuch: Karl Gass - Produktion: DEFA-Studio für Dokumentarfilme - Premiere: 17.12.1952

Chronik eines Mordes - DDR 1964 - Regie und Kamera: Joachim Hasler - Drehbuch: Angel Wagenstein, nach dem Roman "Die Jünger Jesu" von Leonhard Frank - Musik: Gerd Natschinski - Darsteller: Angelica Domröse, Ulrich Thein, Jiří Vrtála, Bohumil mída, Siegfried Weiß, Martin Flörchinger, Willi Schwabe, Hans Klering, Antje Ruge - Produktion: DEFA-Studio für Spielfilme - Premiere: 10.10.1964 -

Brüder und Schwesern - DDR 1963 - Drehbuch und Regie: Walter Heynowsk - Kamera: Christian Lehmann, Hans Eberhard Leupold, Gerhard Münch, Horst Donth Musik: Jean Kurt Forest - Produktion: DEFA-Studio für Wochenschau und Dokumentarfilme - Premiere: 4.10.1963 -

Über die Filme

Mehr als vierzig Jahre lang war Bayern verdammt weit weg von Babelsberg. Wer aus dem Brandenburgischen ins Bayerische oder auch Fränkische wechseln wollte, hatte in den 1950er-Jahren die grüne Grenze, dann sogar eine noch viel schärfer bewachte Mauer zu überqueren. Was den Ostdeutschen blieb, die sich auch in tiefsten DDR-Zeiten stets mehr für den Westen, also auch für Bayern interessierten als umkehrt, war das westdeutsche Fernsehen. ARD und ZDF. Bayern präsentierte sich in den Wohnzimmern der Ostdeutschen mit Löwe Leo, dem Komödienstadel und Inspektor Wanninger. Dann auch mit Kir Royl. Wenig später fiel die Mauer, und Bayern war wieder mit eigenen Füßen zu betreten, mit eigenen Augen zu besichtigen. Manchmal, ziemlich selten, wagte sich auch die in Babelsberg ansässige Filmgesellschaft DEFA an Filmstoffe, die sie in Bayern verortete. Das verurteilte Dorf (1951) beispielsweise. Oder Der Prozeß wird vertagt (1958), Freispruch mangels Beweises (1962), For Eyes Only Streng geheim (1963) und Chronik eines Mordes (1965). Hinter den reißerischen Titeln, die oft etwas Kriminalistisches, auch Tragisches assoziierten, verbargen sich fast immer ernst gemeinte Annäherungen an politische Entwicklungen und Tatbestände in der Bundesrepublik. Geschichten, wie es sie im westdeutschen Film nie oder fast nie zu sehen gab. Die solidarische Gegenwehr gegen US-amerikanische Besatzungsoffiziere beispielsweise, die ein fränkisches Dorf entvölkern wollen und an dessen Stelle einen Militärflugplatz bauen (Das verurteilte Dorf). Das war eine andere Art Heimatfilm als der in der Bundesrepublik erfundene: kein fröhlicher Singsang à la Grün ist die Heide, nichts von Edelweiß und Almenrausch, sondern ein harter, existentieller Zusammenprall von Macht, Militär und Volk. Dass die DEFA dabei wider besseres Wissen eine revolutionäre Volksfrontstimmung in der Bundesrepublik behauptete, gegen die Amerikaner, aber auch gegen die eigene amerikahörige Obrigkeit, war der Zeit geschuldet: Das verurteilte Dorf entstand, als der Kalte Krieg am heftigsten tobte und, angesichts des Korea-Krieges, weltweit in einen heißen umzukippen drohte. Was der DEFA in ihren Westdeutschland-Filmen vor allem am Herzen lag, war der überdeutliche Nachweis, dass die Bundesrepublik unter Kanzler Adenauer alles andere als ernsthaft mit der Aufarbeitung der natio- nalsozialistischen Vergangenheit befasst war. Dabei blendeten die Babelsberger Filmemacher alle Mühen um die bürgerliche Demokratie aus und konzentrierten sich vielmehr darauf, das verhängnisvolle Wirken von Alt-Nazis in der westdeutschen Politik, Wirtschaft, Kultur und Justiz an den Pranger zu stellen. Vor allem im Militär. Früheren Nazis, die jetzt im Westen erneut das Sagen hatten, wurden im DEFA-Film keine Wandlungen in demokratische Richtung zugestanden.

Das im DEFA-Film gepflegte Feindbild wies feste Konturen auf: Der Feind, das war der alte, unbelehrbare Wehrmachtsoffizier, nicht aber der kleine Soldat; der Konzernchef, nicht der Arbeiter; der Bischof, nicht der Dorfpfarrer; der korrupte Verlagsdirektor, nicht der um Aufklärung bemühte einzelne, durchaus aufrechte Journalist. Feinde waren immer diejenigen, die an der Macht saßen. Die entsprechenden Filme waren nie frei von Klischees, Verdrehungen, Verkürzungen, Kolportage-Effekten im Gegenteil. Und sie hatten eine eindeutige politische Funktion, nämlich beim DDR-Publikum, für das sie vor allem inszeniert worden waren, Zweifel an der Läuterung der westdeutschen Eliten zu wecken und zu bestärken.

Ralf Schenk

DVD-Features (Doppel-DVD)

DVD 1

  • Das verurteilte Dorf 1952, 103'
  • 18 Fotos von den Dreharbeiten
  • Aufnahmen von der Premiere im MAS-Kulturhaus Geismar 1952, 4'
  • Ami go home 1956, 32'

DVD 2

  • Chronik eines Mordes 1964, 88'
  • 20 Fotos von den Dreharbeiten
  • Brüder und Schwestern 1963, 38'
  • 20-seitiges zweisprachiges Booklet mit Texten von Ralf Schenk, Inge Bennewitz und Manfred Heidel

DVD Credits

Herausgeber: Filmmuseum München
DVD-Authoring: Tobias Dressel, Gunther Bittmann
DVD-Supervision: Stefan Drössler

1. Auflage November 2024

TV-Format Originalformat Tonformat Sprache Untertitel Regionalcode
4:3 (PAL)
2,35:1
1,33:1
Dolby Digital 2.0
(mono)
Deutsch
Englisch
0
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