Die Artisten in der Zirkuskuppel: ratlos: Wie schon ihr Vater will die Zirkusunternehmerin Leni Peickert (Hannelore Hoger) artistische Höchstleistungen erbringen. Zugleich empfindet sie Natürlichkeit als ihr Ideal. Ihre Neuerungen führen zum Bankrott des Unternehmens. Zirkus und Revolution sind radikale Formen der Selbstverwirklichung. Leni Peickert und ihre Elefanten geben sich Mühe. "Die Utopie wird immer besser, während wir auf sie warten." Die unbezähmbare Leni Peickert: Die Zirkusunternehmerin setzt ihre Aktivitäten fort. Zirkus im Winter. Bittere Zeiten. "Man darf sich weder von der Macht der anderen, noch von der eigenen Ohnmacht dumm machen lassen" (T.W. Adorno). Außerdem enthält die Doppel-DVD eine Fernsehdiskussion von 1970 mit Alexander Kluge, Drehbuchentwürfe und Geschichten von Elefanten.
Die Filme
Die Artisten in der Zirkuskuppel: ratlos - BRD 1968 - Drehbuch und Regie: Alexander Kluge - Kamera: Günter Hörmann, Thomas Mauch - Darsteller: Hannelore Hoger, Sigi Graue, Alfred Edel, Bernd Hoeltz, Eva Oertel, Kurt Jürgens, Gilbert Houcke, Wanda Bronska-Pampuch, Klaus Schwarzkopf - Produktion: Kairos-Film, München - Premiere: 30. August 1968, Internationales Filmfestival Venedig
Die unbezähmbare Leni Peickert - BRD 1970 - Drehbuch und Regie: Alexander Kluge - Kamera: Günter Hörmann, Thomas Mauch - Schnitt / Edited by: Beate Mainka-Jellinghaus -Darsteller: Hannelore Hoger, Bernd Hoeltz, Nils von der Heyde - Produktion: Kairos-Film, München - Premiere: 29. März 1970, WDR III
Reformzirkus - BRD 1970 - Ein Fernsehgespräch über Gesellschaft und Film mit Alexander Kluge, Dieter Schmidt, Siegfried Schober, Hans-Geert Falkenberg, Georg Alexander - Produktion: Westdeutsches Fernsehen, Köln - Premiere: 3. April 1970, WDR III
Hinrichtung eines Elefanten - Deutschland 2000 - Drehbuch und Regie: Alexander Kluge - Produktion: Kairos-Film, München - Premiere: 5. November 2000, RTL
Über die Filme
Auf den Filmfestspielen in Venedig gewann Die Artisten in der Zirkuskuppel: ratlos den "Goldenen Löwen". Der Film begleitete Adornos letzte Arbeit, die "Ästhetische Theorie". Die Dreharbeiten fanden unter dem Eindruck des studentischen Protests von 1967 statt.
Das merkwürdige Unterhaltungsmittel "Zirkus" (völlig entgegengesetzt dem "römischen Zirkus") entstand in Europa während der Großen Französischen Revolution. Der Zirkus spiegelt das Allmachtsgefühl und das Tempo jener "neuen Zeit", deren Elan später nie wiedergewonnen wurden.
Zwei Erfahrungen der Leni Peikert: "Nichts ist unmöglich" und "Sich Mühe geben allein nützt gar nichts". Der Film ist anti-defätistisch. Leni Peikert ist nicht davon abzubringen, immer neu anzufangen. Ihre prophetische Kraft hat den Protest überdauert. Am Ende des Films heißt es: "Mit großen Schritten macht man sich nur lächerlich. Aber mit lauter kleinen Schritten könnte ich Staatssekretärin im Auswärtigen Amt werden."
Die Frankfurter Kritische Theorie (ich war ab 1958 als Jurist für das Institut für Sozialforschung, der Kernzelle dieser Theorie, tätig), kollidierte mit dem studentischen Protest. Die Artisten in der Zirkuskuppel: ratlos ist eine filmische Anwendung von Auffassungen der Kritischen Theorie. Aus Anlaß der Ausstrahlung des Films im ARD-Programm fand im WDR eine Diskussion statt. Hier, also in einer Sphäre, die Marx zum "gesellschaftlichen Überbau" zählen würde, war die kulturrevolutionäre Basislinie des Protests soeben angelangt. Krach zwischen den Fronten. Ein Zeitdokument.
Alexander Kluge
DVD-Features (Doppel-DVD)
DVD 1
- Die Artisten in der Zirkuskuppel: ratlos 1968, 100'
- Kapitelauswahl
- Hinrichtung eines Elefanten 2000, 15'
- 5 Stunden Parsifal 1998, 1'
- Drehbuchentwürfe von Alexander Kluge und Text von Georg Stanitzek "Autorität im Hypertext - Alexander Kluge und die Elefanten" im ROM-Bereich
DVD 2
- Die unbezähmbare Leni Peickert 1970, 33'
- Kapitelauswahl
- Reformzirkus 1970, 127'
- Die traurige Nachricht 2006, 1'
- 12seitiges Booklet mit Kurzgeschichten von Alexander Kluge
Herausgeber: Filmmuseum München und Goethe-Institut, gefördert von der Kulturstiftung des Bundes
DVD-Authoring: Ralph Schermbach
DVD-Supervision: Stefan Drößler
1. Auflage Juni 2007, 2. Auflage Januar 2009, 3. Auflage Oktober 2014