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- Hokuspokus
- Frauenarzt Dr. Prätorius
- Napoleon ist an allem schuld
- Die freudlose Gasse
- Crazy Cinématographe. Europäisches Jahrmarktkino 1896-1916
- Blind Husbands (Die Rache der Berge)
- Von morgens bis mitternachts
- Anders als die Andern & Gesetze der Liebe & Geschlecht in Fesseln
- Max Davidson Comedies
Pressestimmen
Eine Edition, die sich zwar Filmmuseum nennt, das digitale Medium aber avantgardistischer nutzt, als DVDs aktueller Filme dies in der Regel tun.
In anderen Ländern gibt es Prestige trächtige DVD-Editionen, wie die Criterion Collection in den USA oder die Masters of Cinema Series in Großbritannien, die von Filmliebhabern weltweit beachtet werden. Mit der Edition Filmmuseum hat auch der deutsche Sprachraum auf der internationalen DVD-Landkarte einen solchen Leuchtturm, der weit über Europas Grenzen hinausstrahlt - die DVDs haben zumindest englische Untertitel und sind Regionalcode frei.
Während die erwähnten Editionen aus angelsächsischen Ländern vor allem bekannte Klassiker in neu restaurierten Fassungen auf DVD zugänglich machen, hat die Edition Filmmuseum ein anderes Profil. Hier werden meist unbekannte Filme von Kennern aus den beteiligten Archiven dem Vergessen entrissen und in einem intellektuell sehr viel wagemutigeren Programmkatalog der Weltgemeinde der Cinephilen in sorgfältig bearbeiteten Editionen zugänglich gemacht.
So kommt vor allem der deutsche Stummfilm zu neuen Ehren, der im eigenen Land nach der Katastrophe des Dritten Reichs praktisch vergessen war und, im Gegensatz zu anderen Ländern wie den USA, nicht mehr auf Interesse stieß. Von den beiden deutschesten Filmemachern der Nachkriegszeit war nur Rainer Werner Fassbinder umfassend auf Video und DVD zugänglich. Mit dem Werk Alexander Kluges hat uns in all seinen Facetten erst wieder die Edition Filmmuseum bekannt gemacht (das gilt vor allem für diejenigen, die in den Sechzigern und Siebzigern noch nicht ins Kino gehen konnten, weil sie eben noch gar nicht geboren waren). Die Kinofilme sind bereits erschienen. In den nächsten Monaten werden auch die Fernseharbeiten folgen.
Mit welcher Dynamik die Edition Filmmuseum weitermacht, zeigen die angekündigten Filme, darunter solche langgesuchten Arbeiten wie Wundkanal (Thomas Harlan) und Notre Nazi (Robert Kramer) über die Dreharbeiten zu dem Film. Auch einer der bedeutendsten Künstler der DDR, Lutz Dammbeck ist vertreten. Die Edition Filmmuseum ist das spannendste und vielseitigste DVD-Label in den deutschsprachigen Ländern - und es ist sehr exklusiv, denn die publizierten Filme sind auf DVD nur hier erhältlich, meist zum ersten Mal überhaupt.
Gelegentlich darf man erfreut zur Kenntnis nehmen, dass die DVD nicht nur ein Mittel ist, den Vermarktungsreigen von Filmen zu beschleunigen, sondern auch eine Möglichkeit, vergessene Filmgeschichte zurückzubringen. Nathan der Weise, den der Regisseur Manfred Noa im Jahre 1922 für den Münchner Produzenten Erich Wagowski drehte, ist so eine Trouvaille, gerettet aus den Tiefen Moskauer Archive, restauriert und mit ansprechendem Begleitmaterial vorgelegt vom Münchner Filmmuseum, publiziert in der edition filmmuseum. Dieser Nathan ist Teil einer anderen Geschichte des deutschen Films, die wir vielleicht nicht nur wegen der schwierigen Archivlage zu schreiben vergessen haben, sondern auch, weil die Überführung des Ufa-Mainstreams in die nationalsozialistische Propagandamaschine eine so einleuchtende Legende ist.
"Wir bilden mit der Edition Filmmuseum Filmgeschichte jenseits der bekannten Filmklassiker ab", fasst Stefan Drößler, Leiter des Filmmuseums München, die Ausrichtung der Edition Filmmuseum zusammen. Sechs nationale und drei internationale Filminstitutionen aus dem deutschen Sprachraum haben sich vor drei Jahren mit diesem ambitionierten Ziel zusammengeschlossen. Unterstützt werden sie dabei vom Goethe-Institut, das von Anfang bei der redaktionellen Auswahl als auch bei der Finanzierung dabei war, und dem deutschen Filmmagazin film-dienst, das als Medienpartner regelmäßig über Neuerscheinungen berichtet.
Dabei ist die Zusammensetzung der bislang 25 DVDs durchaus heterogen: "Das Spektrum spiegelt wie die Programmierung eines kommunalen Kinos die ganze Bandbreite der Filmgeschichte, der Filmthemen und der Stile", so Drößler, "was wir für relevant halten und was im kommerziellen Umfeld keine Chance hätte, ist bei uns willkommen". Die Kategorien umfassen bisher Deutsche Filme, Internationales Kino, Dokumentarfilme, Was ist Kino?, Kurzfilmprogramme, Literaturverfilmungen und Stummfilme. Darunter kann man Filme entdecken wie die sozialkritischen Dokumentarfilme von Ella Bergmann-Michel aus den Dreißiger Jahren, die hochwertig restaurierte Tonfilm-Komödie Das Haus in Montevideo und Filme über das Filmemachen selbst wie den Dokumentarfilm Schnitte in Raum und Zeit zum Thema Film-Editing.
Aber auch ganze Werkausgaben einzelner Regisseure gibt die Edition heraus. So entsteht seit einem Jahr in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut und der Kulturstiftung des Bundes die Alexander Kluge-Gesamtausgabe: "Durch unsere Partnerschaft hatten wir die einmalige Gelegenheit, das gesamte filmische Werk sowie eine Auswahl von Alexander Kluges TV-Schaffens und Texten zu veröffentlichen. Diese multimediale Aufbereitung erschließt für die Programm-Arbeit der Goethe-Institute weltweit eine der wichtigsten Persönlichkeiten der letzten 40 Jahre im kulturellen Bereich Deutschlands", so Hans Kohl, Leiter des Produktionsmanagements im Filmbereich des GoetheInstituts.
Nathan der Weise: Der Regisseur Manfrea Noa ist heute praktisch vergessen. Dabei hat dieser Anfang der zwanziger Jahre einige bemerkenswerte Monumentalfilme gedreht, wie diese einzige, recht freie Kino-Adaption von Lessings berühmtem Theaterstück. Die Geschichte spielt zeitlich da, wo Scotts Königreich der Himmel aufhörte: Im 12. Jahrhundert hat Sultan Saladin Jerusalem erobert und der (von Lessing nach dem Vorbild Moses Mendelssohns erdachte) Jude Nathan vermittelt zwischen den drei Religionen, darunter mit der berühmten Ring-Parabel, die visualisiert ist wie in einem Lotte Reiniger-Werk.
Der Film wartet mit teilweise verblüffend aufwändigen Massen- und Schlachtszenen (gedreht in München) auf, die Inflation macht es möglich, wobei Noa nicht immer sich als perfekter Arrangeur der Menschenmassen zeigt und auch andere Szenen manchmal etwas schwerfällig wirken. Beeindruckend aber die Schauspieler und der schon bei Lessing vorhanden Humanismus, sowie das Werben für Toleranz; die Schlussszene wird man so schnell nicht vergessen.
Hochspannend der Werdegang des Films: 1922 von den Nazis angefeindet und in Müchen deshalb praktisch nicht aufgeführt, nach dem jähen Tod des Regisseurs (er starb 1930 an einer Bauchfellentzündung) und Hitlers Machtergreifung in Vergessenheit geraten, 1996 in einem Moskauer Filmarchiv wiederentdeckt, restauriert, und nun auf einer vorbildlichen DVD erhältlich und konserviert für die nächsten hundert Jahre. Das Bild ist trotz altersbedingter Kratzer sehr gut und viragiert. Anwählbar sind zwei verschiedene Musiktonspuren, eine mit Violine und Flügel, eine mit Klavierbegleitung. Ein Vergleich lohnt hier, da beide interessante Lösungen anbieten.
Die elf Teufel & König der Mittelstürmer: Zwei echte Raritäten aus dem Keller der Fußball-Filmgeschichte. Liebevoll entstaubt und von überraschender Aktualität. - Einer landläufigen Meinung nach sind a) Fußballfilme Kassengift und b) erhielt das Kicken seine allumfassende gesellschaftliche Bedeutung hierzulande erst mit dem WM-Triumph 1954. Zwei Stummfilme von 1927 beweisen jetzt das Gegenteil: Ein Zwischentitel beim Klassenkämpferdrama Die elf Teufel nennt schon damals "Fußball den Sport des Jahrhunderts". Der Film beschreibt das bis heute aktuelle Dilemma: Der reiche Verein dominiert das Spiel aufgrund besseren Spielermaterials und optimaler Trainingsvoraussetzungen. Der Arbeiterklub schafft den Erfolg nur mit eisernem Willen und unerschöpflicher Kampfeskraft. Weniger gut erhalten, aber als Zeitzeugnis mindestens so interessant: König der Mittelstürmer, die fiktive Liebesgeschichte um den bulligen Goalgetter Tull Harder. Ähnlichkeiten zum HSV-Stürmer der 20er - und späterem KZ-Aufseher - gleichen Namens sind voll beabsichtigt. Was beweist, dass Biographien von Fußball-Stars schon lange vor Beckenbauers Libero Stoff für Film-Schmonzetten lieferten. Weiteres Schmankerl der Doppel-DVD: In der neunminütigen Doku des Länderspiels Deutschland - Italien von 1924 in Duisburg erlebt man den drahtigen Sepp Herberger als Stürmer.
Ob die Macher des Fernsehwerbespots, in dem eine Handvoll duschender Männer das Fußballfieber packt und ein Stück Seife als Spielgerät herhalten muss, wohl Fritz Freislers Stummfilm König der Mittelstürmer gesehen haben? Dort nämlich treten fußballtolle Angestellte im Großraumbüro gegen einen Apfel, und die damenhaft gekleidete Tochter des Chefs dribbelt mit einem Papierknäuel durchs Arbeitszimmer. Allerdings lag der Film bis vor kurzem nur als italienische Nitrat-Kopie vor und war damit dem Publikum nicht zugänglich. Für die "Edition Filmmuseum" gelang es, den stark zersetzten Film abzutasten und für die Nachwelt zu retten. Die deutschen Untertitel wurden vom Filmmuseum München anhand der zeitgenössischen Zensurkarte neu hergestellt.
Trotz seines Alters und der Materialschäden wirkt König der Mittelstürmer bisweilen erstaunlich aktuell. "Bist du auch schon vom Fußballfimmel besessen?", fragt der gestrenge Großhandelskaufmann sein kickendes Töchterchen und steht ratlos vor einer Fußball-Euphorie, die sich in Deutschland offensichtlich schon breit machte, ehe noch "die Welt zu Gast bei Freunden" war. Etwas antiquiert klingt hingegen, was der nach dem einstigen Starspieler des Hamburger Sportvereins Otto "Tull" Harder benannte Held des Films seinem Vater entgegnet, als dieser ihm vorhält, seine Zeit mit einer Spielerei zu vergeuden: "Du irrst, Vater - Sport ist Ertüchtigung des Menschen - Stählung der Nerven - Hebung des Selbstbewusstseins." König der Mittelstürmer feierte am 24.11.1927 in Berlin Premiere und verlor damit das Rennen um den ersten deutschen "Fußball-Großfilm" nur knapp: Am 20. Oktober desselben Jahres wurde Zoltan Kordas Die elf Teufel in Berlin uraufgeführt. Laut Vorspann waren die "besten Fußballspieler aus allen Teilen Deutschlands" an den ausführlichen und grandios gefilmten Spielszenen beteiligt. Korda inszeniert aus Untersicht und in Zeitlupen spektakuläre Nahaufnahmen, die zwar die Spielabläufe nicht nachvollziehbar machen, dafür aber die emotionale Dynamik des Spiels filigran einfangen. Vergleichsweise bieder erscheinen die für die damalige Zeit ebenfalls hervorragenden Fußballaufnahmen im Schlussakt von König der Mittelstürmer, die sich weitgehend darauf beschränken, das Spielgeschehen wiederzugeben.
Erstaunlich ähnlich sind sich die beiden unterhaltsamen, fußballfilmhistorisch wertvollen Dokumente in ihrer abschließenden Fußballdramaturgie. In beiden Fällen steht der Starspieler zunächst nicht im Aufgebot, taucht dann unter dem Jubel der Mitspieler und Zuschauer doch auf, wird später verletzt in die Kabine getragen, dort von seiner Liebsten gepflegt, sodass er sich mit frischer Energie wieder aufs Spielfeld stürzt, um dort das entscheidende Tor zu schießen. So ist Fußball? Nein, so ist Fußballkino.
Our award for the best DVD goes to the very first DVD release of the Edition Filmmuseum: the first sound film of Dziga Vertov, Entuziazm. Containing two differently synchronized versions of this masterpiece as well as an extended lecture-demonstration by Peter Kubelka of the reasoning behind his resynching of sound and image, this is an interactive package in the best sense that invites viewers into the discussion of how one paticular restoration is arrived at.
In der Edition Filmmuseum ist eine DVD mit den beiden ersten Fußball-Spielfilmen überhaupt erschienen: Die elf Teufel von Zoltan Korda und König der Mittelstürmer von Fritz Freisler (beide 1927). Die fabelhafte Doppel-DVD zeigt, wie sehr die Spielszenen beeindruckt haben müssen: Angehängt als Schmankerl ist ein 9minütiger Originalbericht vom "Länderkampf" Deutschland-Italien zur Eröffnung des Duisburger Stadions 1924: Ein paar nicht zu identifizierende Männeken kreuzen den starren Bildkader, und das entscheidende 0:1 ist auch nicht zu sehen, weil der Brave Operateur da vermutlich gerade den Standort wechselte.
Fußball sei Kassengift, diese Erkenntnis galt deutschen Filmemachern lange als unumstößliche Gewißheit. Ehrgeizige Studien zur Dynamik eines Sports, wie man sie von den Amerikanern kennt, hat es hierzulande nie gegeben. Oder doch? Man muß nur weit genug zurückgehen: Vor den ersten deutschen Weltmeistertitel, vor Sepp Herberger und seine elf Freunde, bis zurück zu den Tagen des Stummfilms - und plötzlich findet man aufwendige Großproduktionen mit Starbesetzung. Die elf Teufel und König der Mittelstürmer heißen die beiden restaurierten Wiederentdeckungen des Münchner Filmmuseums, die gerade als Doppel-DVD erschienen sind. Beide stammen aus dem Jahr 1927, offenbar ein Jahr des besonderen Fußballfiebers - und beide wirken in vielen Momenten frappierend modern. Der Fußball wird ohne Umschweife als "Sport des Jahrhunderts" bezeichnet, es gibt salbungsvolle Reden vom "einenden Gedanken des Spiels" und von der "Kameradschaftlichkeit in Gefahr und Kampf", die auch ein Klinsmann nicht besser formulieren könnte. Gleichzeitig aber sind bereits riesige Sponsorentafeln ("Schokolade Trumpf") unübersehbar im Bild. Auch in anderer Hinsicht wird klar: Alles, was der Fußball an großen Geschichten hergibt, hat die Menschen auch damals schon bewegt.
Eine junge Frau in der Mannschaftskabine? Nein, es geht nicht frivol, sondern romantisch zu beim Arbeiterfußballclub Linda, der im noch stummen Spielfilm Die elf Teufel gegen den Nobelverein International antritt. Lange vor Das Wunder von Bern haben deutsche Filmproduzenten versucht, Sportfreunde ins Kino zu locken. Zeitgleich mit Zoltan Kordas Die elf Teufel kam 1927 Fritz Freislers König der Mittelstürmer auf die Leinwand, und nun sind die einstigen Konkurrenten in einer DVD-Edition vereint. Kordas Film ist gut erhalten, Freislers Werk weist einige schwere Bildschäden auf. Das tut dem Charme keinen Abbruch. Beide Filme erzählen von Ball- und Herzensangelegenheiten, ohne süßlich zu werden, beide fangen mehr von der Dynamik des Spiels ein, als es den Wochenschaukameras damals gelang. Und beide nehmen eine spätere Entwicklung vornweg: die Verwandlung der Feldspieler in Mädchenschwärme.
Die elf Teufel und König der Mittelstürmer feiern die Dynamik des Fußballs mit rasanten Fahrtaufnahmen, Zeitlupen und der Auflösung des Spielgeschehens in Groß- und Detailaufnahmen. Zudem besitzen beide Filme eine geradezu klassische Sportdramaturgie: Selbstverständlich gibt es im Kampf um Pokal oder Meisterschaft Elfmeter, und natürlich verletzt sich der Held - um nach anschließender Blitzgenesung doch noch das entscheidende Tor zu schießen. Und das alles geschieht stets im Geiste des Fair Plays: Prügeln tun sich nur die erregten Zuschauer.
Frankfurt, 20er Jahre, eine Stadt im Wandel. Wohnungsnot führt zu einer neuen, sozialen Siedlungsarchitektur, dem "Neuen Frankfurt". Geplant von einer Gruppe von Architekten und Künstlern um den Stadtbaurat Ernst May. Und eine ist mittendrin: Ella Bergmann-Michel.
Sie fotografiert das alte Frankfurt im Gegensatz zum neuen. Heute denkt man an gemütliche Altbauten, kuschelig, mit allem Komfort. Der moderne Geist der 20er Jahre empfindet diese Gründerzeitmonster als stinkend, voller Lärm, düster, als möglichen Krankheitsherd. Ella Bergmann-Michel engagiert sich für das neue Frankfurt, das nun überall entsteht. Jede Form von Bewegung fasziniert sie - Licht und Schatten. Sie sucht das Alltägliche und gibt ihm künstlerische Struktur. Ella Bergmann liebt die neue Architektur und zeigt, dass sie für Menschen gemacht ist.
Mit ihrer leichten, handlichen 35mm-Kamera können auf ganz neue Art Filmaufnahmen gemacht werden. Zum Beispiel ein Werbefilm für ein neues Altenheim. Im Gegensatz zu den düsteren Altstadtvierteln entspricht dieses Haus des Architekten Mart Stam dem Prinzip der Gartenstadt: eine Vision aus Licht und Luft, aus verglasten und offenen Terrassen, von denen aus zufriedene alte Menschen dem Zuschauer zeigen, wie positiv sich eine gute moderne Architektur auswirken kann. Noch heute existiert dieses Altenheim in der Frankfurter Hansa-Allee. Gelungenes Zeugnis von Frankfurts Aufbruch in die Moderne und einer neuen Art von Stadtkultur. Ästhetik und soziales Engagement verbinden sich hier miteinander. Eine ganz eigene Filmsprache entwickelt sie in den Fliegenden Händlern, beobachtet die Hypnotiseure der Straße, wie sie ihre Zuhörer um den Verstand reden. Und langsam hebt die Kamera dann ab. Alles dreht sich. Man verliert den Boden unter den Füßen. Der feste Halt schwindet.
Und der feste Halt geht tatsächlich verloren: Wie das zeigt Ella Bergmanns Film Die letzte Wahl, der Wahlkampf im Frankfurt des Jahres 1932/33. Die Nationalsozialisten sind bereits stärkste Partei. Die Menschen sind erregt, diskutieren auf den Straßen. Als die Filmerin eine Schlägerei vor einem Parteilokal der Nazis filmen will, wird sie verhaftet. Der Film beschlagnahmt. "Dann wurde es still um die Kultur der Städte", schreibt Ella Bergmann, "Marschtritt dröhnt durch die Straßen." Das war ihr letzter Film. Ihren Plan, einen großes Werk über die Architektur des Neuen Frankfurt zu drehen, hat sie nicht verwirklichen können.
Ella Bergmann-Michel selbst ist an einer Verbindung von gestalterischem Experiment und der Darstellung gesellschaftlicher Wirklichkeit interessiert. Dies kommt insbesondere in ihren fünf Filmprojekten zum Ausdruck. Vier dieser Filme beschäftigen sich mit sozialpolitischen Themen des Frankfurter Lebens und experimentieren zugleich mit einer neuen Filmsprache. Der Fünfte, Fischfang in der Rhön, ist eine experimentelle Naturstudie. In Wo wohnen alte Leute? stellte Ella Bergmann-Michel die kommunikative Struktur des von Mart Stam, Ferdinand Kramer und Werner Moser entworfenen Altersheims der Henry und Emma Budge-Stiftung als Funktionalität zum Wohle alter Menschen in den Mittelpunkt ihres Films. Mit Erwerbslose kochen für Erwerbslose unterstützte sie die Spendensammlung der Selbsthilfeaktion von Arbeitslosen in den neuen Siedlungen während der Weltwirtschaftskrise. Konsequenterweise warb der Film nicht nur im Vorprogramm der Frankfurter Kinos um finanzielle Unterstützung des Vereins. Ella Bergmann-Michel und ihr Mann organisierten auch Freiluftaufführungen auf der Frankfurter Hauptwache, bei denen nicht nur Spendengelder von 600 Reichsmark pro Abend erzielt, sondern auch Lebensmittelspenden auf einem Karren gesammelt wurden. In ihrem avanciertesten Film Fliegende Händler verband die Künstlerin ihre Dokumentation über arbeitslose Straßenhändler mit experimentellen Bewegungs- und Lichtstudien. Die Dynamik der Akteure auf der Flucht vor der Polizei setzte Ella Bergmann-Michel im Film in dramatische Drehbewegungen um: die Räder der Karren, das Karussell und zuletzt die Kamera selbst rotieren und erzeugen so beim Betrachter den Eindruck von der Instabilität des Lebens. Schon bei der Herstellung dieses Films hatte die Künstlerin das Gefühl, von der Polizei beschattet zu werden. Während der Dreharbeiten zu ihrem Film Letzte Wahl wurde sie verhaftet als sie vor einem Wahllokal eine Schlägerei filmte. Die Polizei vernichtete das belichtete Filmmaterial und ließ die Künstlerin erst nach stundenlangen Verhandlungen wieder frei. Nach diesem Vorfall stellte sie die Filmarbeit ein. Das erhaltene Fragment von Letzte Wahl veranschaulicht jedoch in beeindruckenden Bildern die Faschisierung des Wahlkampfes.
Westend ist eine Tragikomödie, die ihren Charme aus einer lakonischen Milieuzeichnung weitab plumper Comedy-Klischees bezieht, die Personen und ihre Probleme ernst nimmt, auch wenn sie sie in absurd-komischen Situationen auf harte Proben stellt. Seine bestechende Beiläufigkeiterlangt der Film durch seine wortkargen "Helden", aber auch das straffe Drehbuch voller brillant getimeter Situationen sowie eine Bildführung, die das knappe Budget schnell vergessen läßt - eine im deutschen Sprachraum seltene Qualität, die selbst dem Amerikaner Kevin Smith in seinen ähnlich gelagerten Filmen Clerks, Mall Rats und Chasing Amy nicht so konsequent geglückt ist. Bedenkt man all dies, ist es nicht verwunderlich, daß das Filmmuseum München Westend als ersten aktuellen deutschen Kinofilm für das DVD-Projekt "Edition Filmmuseum" ausgesucht hat: Hier ist eine Perle zeitgenössischer Filmkunst zu entdecken, die exemplarisch für den Off-Bereich der deutschen Kinoszene steht und von potenten Geldgebern nur zu gerne übersehen wird.
Die DVD als Speicher für Filme hat einen zwielichtigen Ruf. Aber gerade die neuen Techniken der Film-Archivierung machen es möglich, dass vergessene Kostbarkeiten nicht ganz untergehen, wie eine Initiative von acht Filmmuseen aus dem deutschen Sprachraum zeigt. Die DVD-Reihe ist nicht filmhistorisch-systematisch angelegt. Die Archive zeigen einfach was sie haben. Filme, die weder im Fernsehen noch jemals wieder im Kino zu sehen sein werden, stehen im Mittelpunkt dieser filmarchivarischen Großtat. Man wünscht sich etwas umfangreichere Begleitheftchen und dem Projekt eine rosig viragierte Zukunft. Wenn schon dem Kino ein heftiger Schrumpfprozeß vorausgesagt wird und der DVD-Markt die letzte Zuflucht für filmhistorisches Wissen werden wird, dann ist es um so wichtiger, dass es auch kleine, couragierte Reihen gibt, die echte Raritäten präsentieren.
Das Medium liefert seine eigene Message: DVD bedeutet die totale Konfusion. Was auf den silbernen Scheiben inzwischen geboten wird der Film in diversen Sprachen, Kapitelabruf, Regisseurskommentare, Drehberichte, Trailer etc. -, läßt auch beim besten Rezipientenwillen eine ordentliche Sichtung nicht mehr zu. Mit DVD kommen Filme in geballter Ladung, mit einer neuen Dynamik - die auch die alten Filme, aus der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts erfaßt. Mit Entuziazm aus dem Jahr 1930, Dziga Vertovs legendärem Tonfilmgedicht vom Fünfjahresplan in der Stahlindustrie im Donbass-Becken, beginnt die DVD-Edition Filmmuseum, in der europäische Filminstitutionen Prachtstücke aus ihrem Archiv auf DVD präsentieren wollen. Als nächstes sind Friedrich Schiller - Eine Dichterjugend von Curt Goetz und Stroheims Blind Husbands geplant, in Vorbereitung sind - eine wirklich schöne kreative Konfusion - Sachen von Achternbusch, Costard, Dieterle, Veit Harlan, Manfred Noa, Niklaus Schilling und Orson Welles. ... Von allen Filmmuseen der Welt ist im österreichischen am stärksten jener Handwerksgeist bewahrt geblieben, der den Umgang mit der Filmgeschichte im vorherigen Jahrhundert bestimmte. Man kann das in dieser Edition in einem Beispiel sehen, wo Peter Kubelka, der einstige Museumsdirektor, am Schneidetisch sitzt und uns erzählt, wie er dem Film von Vertov die Synchronität von Bild und Ton wieder gegeben hat. Das ist noch einmal lebendige Filmgeschichte, hat mit dem zackigen Restaurationsfurioso, wie er heute üblich ist, nichts zu tun.
Dass Filmmuseen und Archive viele Filme in ihren Beständen haben, die - auch weil sie selten zu sehen sind - als Schätze gelten, weiß der Cineast. Umso erstaunlicher ist die Tatsache, dass angesichts des DVD-Booms der letzten Jahre bis auf einige Klassiker kaum etwas daraus zumindest im deutschsprachigen Raum, aber im Prinzip europaweit veröffentlicht worden ist. Jetzt endlich ist mit Dziga Vertovs Entuziazm die erste Veröffentlichung des neuen Labels "Edition Filmmuseum" erschienen. Auf Initiative des Münchner und des Österreichischen Filmmuseums hin haben sich Ende 2004 einige Museen und Archive zu einer lockeren Arbeitsgruppe zusammengeschlossen, um unter einem Label ausgesuchte Filme und neue Restaurierungen abseits des Kanons unter einheitlich hohen technischen Standards auf DVD zu veröffentlichen. Die Premiere ist auf jeden Fall glänzend, der erste Schritt der Museen und Archive aus dem Schatten archivarischer Tätigkeit in eine Veröffentlichungspraxis ist gelungen. Hoffen wir auf die nächsten.
Die Doppel-DVD Entuziazm ist ein Erlebnis, fast noch schöner und intensiver als der Film auf der großen Leinwand, ein Musterbeispiel für die Arbeit der Filmmuseen und eine Schule des Sehens und Hörens.
Mit Dziga Vertovs proletarisch-heroischem Avantgarde-Dokument Entuziazm (Simfonija Donbassa) von 1930, einer äußerst eigensinnigen Hymne an Stalins ersten Fünfjahresplan, legt das Österreichische Filmmuseum den Grundstein zu einer neuen, von verschiedenen filmkulturellen Institutionen getragenen DVD-Publikationsreihe. ... Umkreisung einer ton- und bildgewaltigen Kinosinfonie, die der technikgläubige Vertov aus dem Feuer, Metall und Maschinenlärm destillierte: avancierter filmischer Materialismus. Geplante weitere Beiträge in der Edition Filmmuseum: Filme von Strohheim, Achternbusch, Costard und Harlan. Unverzichtbar.
Dass den Anfang in dieser Edition ein Film mit dem Titel Enthusiasmus! macht, kann man getrost als Programm ansehen. Es ist der Enthusiasmus, den der Regisseur Dziga Vertov vermitteln wollte, in den Jahren vor der stalinistischen Perversion der Revolution, wo Arbeit und Ästhetik, Film und Leben ineinander fließen zu einer Film-Sinfonie, in den genau aufeinander abgestimmten Klängen und Bildern. Es ist der Enthusiasmus des Filmemachers, der nach einer neuen audiovisuellen Sprache sucht. Und es ist der Enthusiasmus, dem man dem Restaurator Peter Kubelka im DVD-Feature über die Arbeiten an der Restaurierung von Vertovs Film aus dem Jahr 1930 anmerkt ... Auch die nächsten Projekte in dieser Reihe versprechen Entdeckungen und Überraschungen.
Hightlight für Cineasten aller Härtegrade!
Historiker und Restauratoren mögen sich auch ein wenig wie Filmregisseure fühlen, wenn sie am Schneidetisch sitzen, womöglich ein ähnliches Hochgefühl empfinden, wenn sie die geheime Ordnung der Bilder erkunden. Peter Kubelka, Mitbegründer des Österreichischen Filmmuseums und selbst ein renommierter Filmemacher, läßt diese Faszination spüren. 1972 hat er Vertovs Film restauriert und dabei der Bild- und Tonspur ihre verlorene Synchronität zurückgegeben. Im Bonusmaterial der DVD kommentiert er (auf Englisch, mit stattlichem Wiener Akzent) die programmatische Verwendung des Tons und erweist sich als kundiger, enthusiastischer Interpret Vertovs.
Mit der zwei DVDs umfassenden Box lanciert das Österreichische Filmmuseum ein Label, auf dem ein loser, offener Verbund deutschsprachiger Filmmuseen - in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut - Facetten der Filmhistorie zugänglich macht, die nach den herkömmlichen Marktgesetzen unerschlossen bleiben.
Die Edition versteht sich als zeitgenössische Form, über Filmgeschichte nachzudenken. Kubelka macht seine durchaus umstrittene Restaurationsarbeit in einer einstündigen Dokumentation transparent und anfechtbar; das Bonusmaterial funktioniert als kritische Textausgabe. Das Plansoll hat die Ouvertüre der Edition mithin glänzend erfüllt.
Inzwischen haben sich sogar die Filmmuseen der deutschsprachigen Länder des neuen Mediums DVD angenommen, darunter das Deutsche Filminstitut Wiesbaden, das Filmmuseum Frankfurt/Main und das Österreichische Filmmuseum in Wien. Unter dem Titel "Edition Filmmuseum" haben diese Museen und Archive eine DVD-Reihe gestartet, in der Filme von den Anfängen der Filmgeschichte bis zur Gegenwart zugänglich gemacht werden sollen; Filme, die man nur selten oder gar nicht im Fernsehen oder auf der Leinwand zu sehen bekommt. Darunter Werke von Herbert Achternbusch und Anders als die Anderen von Richard Oswald aus dem Jahre 1919, der erste schwule Spielfilm überhaupt. Wenn die Ankündigung hält, was der erste Titel Dziga Vertovs Entuziazm verspricht und filmisch einlöst, dann wird hier tatsächlich eine Lücke geschlossen.
Die neue "Edition Filmmuseum" ist ein Ereignis. Die Zukunft der Vergangenheit des Kinos sieht dank DVD anders aus. Mit dieser Edition lässt sich ein Stück davon in Augenschein nehmen.
In der "Edition Filmmuseum" gibt es Filmgeschichte mit Enthusiasmus und Vergnügen zu entdecken.
Vorwärts mit DVD! Der Markt hat eine Zukunft. Kino und VHS werden verdrängt. Während wir den Verlust von Utopie und Optimismus beweinen, macht sich die DVD-Industrie einen 5-Jahres-Plan, investiert und kalkuliert voll Zuversicht satte Gewinne ein. Es fügt sich, daß die neue DVD-Reihe "Edition Filmmuseum" mit dem optimistischen Avantgardefilm Entuziazm (Simfonija Donbassa) startet, mit dem Dziga Vertov 1930 voll Zuversicht den Start des sowjetischen 5-Jahresplans begleitete.